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JUST LISTEN


"I like to listen. I have learned a great deal from listening carefully. Most people never listen."

(Ernest Hemingway)

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  • Alma

Danke.

Danke. Danke für nichts.


Danke für die Regenwolke über mir, den Sturm in mir, für den Schatten der mich begleitet. Danke für die schiefen Blicke, die Verurteilungen, die skeptischen Nachfragen, das ständige Unverständnis.

Danke, dass ich nicht mehr arbeiten kann ohne daran zu Grunde zu gehen und so auf finanzielle Hilfe angewiesen bin. Finanzielle Hilfe, die gerade mal zum Überleben reicht und für die ich mich auch noch rechtfertigen muss. Danke, dass es mir verwährt bleibt, mir was zu gönnen, einen Urlaub zu buchen, ein Abenteuer zu erleben, meine Wünsche zu erfüllen. Es ist ja nicht so, dass ich nicht arbeite. Ich arbeite gerade nur nicht in einem typischen Job, sondern ich arbeite um überleben zu dürfen.

Danke, dass ich mal wieder beweisen muss, wie viele letzte Kräfte ich in mir habe. Danke, dass ich es wenigstens versuchen darf, versuchen darf zu überleben. Ein Überleben um endlich mal Leben zu können. Ein Überleben um irgendwann vielleicht ein bisschen befreiter zu sein.

Danke, dass ich in Kategorien gesteckt werde, in die ich gar nicht passe, weil es gar keine Kategorien in Menschen geben sollte. Danke, dass ich eine Nummer auf dem Aktenstapel bin, eine Nummer die nach Schema F abgearbeitet und dann sich selbst überlassen wird. Raus, ab in die freie Wildnis mit ihr, soll sie doch sehen wie sie zurecht kommt, wer nicht leistet, kriegt auch nichts. Danke für die Bestrafung meiner Versuche. Meine Versuche ein normales Leben zu führen, etwas beizutragen, meine Versuche mich anzupassen.

Danke für die stetigen Erinnerungen, was andere

in meinem Alter denn schon alles leisten oder geleistet haben. Danke für die Isolation, das Außenseiter sein, das nicht teilhaben dürfen. Dafür, dass ich zum unteren, vergessenem Teil der Gesellschaft gehöre und das nur, weil ich nicht mehr perfekt bin. Danke, dass ich mit meinen letzten Kraftreserven um Hilfe betteln darf und aufpassen muss wie ein Luchs, um nicht ständig betrogen zu werden. Danke für die ganzen Herausforderungen, für die fehlende Unterstützung, sobald ich es geschafft habe für mich einzustehen, denn das sei ja ein Zeichen, dass es mir zu gut gehe, ich komme ja immer irgendwie klar.

Danke, dass ich anderen zusehen muss wie sie von Unterstützung und Verständnis überschwemmt werden und das nur, weil sie "bekannt" sind.. Danke, dass ich nicht von Menschen umringt bin, sondern am Ende immer alleine da stehe. Danke, dass ich mein Grundvertrauen verloren habe, danke, dass es so oft betrogen wurde, so dass ich immer in Hab-Acht Stellung bin, stetig auf der Flucht und für jede Katastrophe bereit.

Danke, dass ich mir immer anhören muss, wie gut ich es doch habe, weil ich ein Dach über dem Kopf habe und Klamotten am Körper. Danke, dass ich mich immer dafür rechtfertigen muss, nicht die ärmste der Armen zu sein. Dafür, dass ich mich glücklich schätzen soll, in so einem "reichen Land" leben zu dürfen und mich es durchaus schlimmer hätte treffen können, denn schlimmer geht immer.

Danke, dass mir die Tür nicht aufgehalten wird, ich immer zweite Wahl bin. Danke für die Lücken in meinen Erinnerungen, für die ständige Erschöpfung, die Müdigkeit, den großen Rucksack voller Last. Danke, dass ich das alles übernehmen darf.

Danke für diese Krankheit die mir den Atem, die Energie , mein Herz, mein Hirn, meinen Körper, einfach mich raubt. Dafür, dass ich jeden Tag ein Problem habe mit Dingen die für andere selbstverständlich sind. Danke, dass ich mein nicht vorhandenes Geld für meine Krankheit ausgeben darf. Dafür, dass ich mich schämen muss, mich verstecken, zurück halten muss, denn vielleicht erträgt mein Gegenüber die Wahrheit ja nicht, will das gar nicht alles hören, das will ja niemand.

Danke für die ganzen Hindernisse auf meinem Weg, dafür dass ich immer einmal mehr drum kämpfen muss. Danke für das Überschreiten meier Belastungsgrenze, danke dass ich immer auf Sparflamme laufe, danke dafür, dass mein größter Wunsch ist die Augen zuzumachen und nochmal von vorne anfangen zu können.

Danke für die ständigen Aufgaben, die konstanten Herausforderungen, die Zusammenbrüche, das Grenzen überschreiten.

Danke, dass ich eine Krankheit habe, die nicht sofort sichtbar ist, danke dass ich sie verheimlichen kann und so keiner etwas merkt. Danke für den Clown in meinem Kopf, für die ständigen verletzenden, verwirrenden Gedanken und Stimmen.

Danke, dass sich keiner mit anschauen muss, wie ich mir die Seele aus dem Leib kotze, überspiele dass ich vor Hunger&Durst fast ohnmächtig werde oder tonnenweise Desinfektionsmittel kaufe. Danke, dass ich schon früh gelernt habe, meinen Stress an mir selber auszulassen, danke für das Ventil der Selbstverletzung. Danke für die ständige Angst die Kontrolle zu verlieren und es dann doch nicht mehr zu schaffen.

Danke für die dunklen Gedanken, die vermissten Chancen, verpassten Momente, verlorene Zeit. Danke für den Horror in meinem Kopf, die Narben die ich für immer trage, die Verletzungen, den Schmerz.


Danke für dieses Schicksal, diese Aufgabe, die ich mir nicht ausgesucht habe. Dafür, dass ich mich schämen muss, weil ich nicht reinpasse, nicht so richtig funktioniere.

Danke für diese Krankheit, diese Probleme, an denen ich absolut keine Verantwortung trage und sie sofort loswerden würde, wenn es nur so einfach wäre, denn ich komme nicht immer irgendwie klar.


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