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JUST LISTEN


"I like to listen. I have learned a great deal from listening carefully. Most people never listen."

(Ernest Hemingway)

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Alma

Gefühle

Fühlst du gar nichts dabei?

Sind Sie gar nicht traurig darüber?

Was fühlst du gerade?

Warum lachst du immer?

Bist du nicht wütend?



Gefühle sind für mich sehr schwierig, zumindest meine eigenen, Gefühle von anderen kann ich besser. Meine muss ich erst langsam aber stetig lernen, denn irgendwie habe ich das ganz früh verlernt oder habe die Lektion verpasst.

Den Begriff "Gefühl" eindeutig zu definieren ist irgendwie schwierig, sobald man genauer darüber nachdenkt, denn es gibt zwei Arten von Gefühlen. Es wird einmal beschrieben als Sinneswahrnehmung, spontane Regung, das Produkt unserer Sinneswahrnehmungen. Es wird aber auch beschrieben als seelische Regung und dem Zustand eines Menschen.

Es gibt Gefühle die wir fühlen im Sinne von spüren, wie z.B. den Boden unter unseren Füßen, den Stuhl auf dem wir sitzen oder das Handy in der Hand. Diese Gefühle sind verbunden mit unseren Sinneswahrnehmungen. Dann gibt es Gefühle im Sinne von Emotionen. Emotionen sind eine Art Urinstinkt. Sie sind psychophysische (Körper und Seele betreffend) Vorgänge und laufen größtenteils in unserem Unterbewusstsein ab, während dazu dann ein entsprechendes Gefühl im Bewusstsein abläuft, welches sich dann nach außen zeigt. Emotionen entstehen im Affekt und durch einen Reiz, Gefühle hingegen sind die Verarbeitung dieser Emotionen. Zu unseren Basisemotionen zählen Trauer, Ekel, Ärger, Freude, Angst oder auch Überraschung. Bei der Emotion Ärger, können wir uns dann wütend fühlen oder aber auch genervt. Bei der Emotion Freude sind wir freudig, aber z. B. auch begeistert. Diese Gefühle werden abgefragt, bei der Frage wie es einem geht oder wie man sich gerade fühlt.

Diese Frage, die für fast alle von uns sehr alltäglich ist, hat mich vor einigen Jahren sehr überrascht, weil ich sie plötzlich in einem anderen Licht sah. Es war in der ersten Klinik und in der Gruppentherapie hatten wir das Thema Gefühle. Wir bekamen eine Liste mit all den Dingen die man anscheinend fühlen kann, sollten die uns angucken und wählen, welches davon am ehesten gerade zu uns passt und warum. Die anderen in der Gruppe taten sich sehr schwer damit, was ich nicht verstanden habe. Ich fand es jetzt nicht so schwierig einfach eins davon auszuwählen, man nimmt einfach das was in die Gesamtsituation gerade am besten passt. Entweder fühlt man sich gut oder schlecht und wählt dann beliebig eines dieser Gefühle aus, die auf der Liste stehen, am besten eins was sich leicht begründen lässt. Jeder weiß, dass Trauer oder Wut zu den "schlechten" Gefühlen hören und Freude und Liebe zu den "guten", man wählt sich dann einfach eins aus,aus diesen Bereichen. Hat man die Nacht vorher schlecht geschlafen, geht es einem halt schlecht,denn man ist müde und erschöpft. Ging es einem gestern schlecht, so geht es einem heute besser, denn sonst sind die Therapeuten nicht zufrieden. Die Frage nach dem Gefühl war für mich wie die Frage nach dem Essen oder was man heute anzieht, man kann sich einfach was aussuchen.

In dem Moment merkte ich, dass ich da irgendwie eine Lektion im Leben verpasst hatte. Die anderen taten sich scheinbar wirklich schwer damit, weil sie nicht wussten welches davon gerade zu ihrer Innenwelt passen könnte. Ich tat mich schwer damit, weil ich Angst hatte, dass das was ich mir ausgesucht hatte, falsch interpretiert werden könnte und fürchtete mich nur davor, dass ich vielleicht das falsche rausgesucht habe. Ich habe erst einige Jahre später verstanden, dass ich da quasi in meiner ersten Stunde des Fachs Gefühle saß.

Ich glaube viele von uns, ob jetzt beeinträchtigt oder nicht, sind nicht so gut, wenn es um das Thema Gefühle geht. Manche finden es allgemein schwierig, weil sie sich damit noch nicht so wirklich auseinander gesetzte haben oder wollen sich gar nicht so damit auseinander setzen,denn Gefühle sind ja was für Frauen oder Weicheier und machen angreifbar. Andere können nicht benennen wie sie sich gerade fühlen,denn dafür müssten sie sich ja mit sich selber beschäftigen. Wieder andere haben da glaube ich nicht so Probleme mit und sind da im Kontakt mit sich und ihren Gefühlen. Klar, es muss auch immer etwas angepasst sein an die Situation, nicht jedem möchte, kann und sollte man seine wahren Gefühle verraten und darüber reden. Es ist aber für uns alle wichtig zu wissen was wir fühlen und Gefühle zu äußern, denn sie möchten gesehen werden, denn wenn wir zulange und zu viele davon anstauen, rebellieren sie irgendwann. Emotionen und Gefühle sind nichts schlimmes, sie gehören zu uns, sie machen einen Menschen aus, wir alle haben sie, ob wir wollen oder nicht. Sie wollen aber auch Aufmerksamkeit, hier und da verkraften sie eine Missachtung, aber irgendwann werden sie viele und sauer und dann schreien sie.

Ich habe in der Therapie mich vor drei Jahren das erste Mal so richtig bewusst mit dem Thema meiner Gefühle auseinander gesetzt und viele Metaphern zum Verständnis von Gefühlen gehört.

Meine liebste ist die von einem Ball. Stellt man sich vor, dass das Gefühl, die Emotion, ein Ball ist und an der Wasseroberfläche in unserem eigenen, kleinen Meer schwimmt.Es treibt da rum, es gibt große und kleine Wellen, es wird angespült und wird dann auch mit der nächsten oder übernächsten Welle weitergespült, das Gefühl in uns verebbt langsam wieder. Unterdrückt man seine Gefühle, lässt man diesen Ball nicht an die Wasseroberfläche und weder ankommen noch gehen. Drückt man den Ball unter Wasser, spürt man das Gefühl auch nicht oder nicht so doll. Aber der Ball bleibt da unten nicht einfach so, er muss mit Anstrengung unten gehalten werden. Der Ball kann langsam wieder nach oben treiben, wird dann angespült oder auch wieder zurückgespült oder er wird immer weiter unten gehalten. Jeden verlässt irgendwann die Kraft, man ist kurz unaufmerksam und wir lassen los und der Ball schießt dann nach oben. Das ist dann die Explosion, welche je nach Ball-menge und Dauer unter Wasser größer oder kleiner ausfällt. Das kann sich in einem Wutausbruch, einer Heul-Attacke oder auch in einer Eiszeit oder ähnlichem zeigen. Typischerweise sind es vor allem negative Gefühle, die man zu verdrängen versucht.

Oder die Harry Potter Metapher. Erinnert man sich an den ersten Teil von Harry Potter, dann gibt es am Anfang die Szene wo Harry seinen Brief von Hogwarts erhält und dieser Brief will gelesen werden, ebenso wie ein Gefühl. Harry kriegt diesen Brief aber nicht zu sehen und daraufhin kommen immer mehr Briefe, die er aber auch nicht liest. Das Ende vom Lied ist, dass die ganze Familie in einer Hütte im Meer landet um der Flut der Briefe zu entkommen, bis dann Hagrid nachts die Tür eintritt, damit Harry endlich seinen Brief lesen kann. So ist das auch mit Gefühlen, man kann noch so sehr davor weglaufen, irgendwann holen sie einen ein und irgendwann auch mit Krach und Gepolter.

Beliebt ist unter Therapeuten auch der Gefühlsstern. Bei dem Gefühlsstern gibt es den Sternkörper als Ausgangspunkt, welcher Gleichgültigkeit heißt. Von diesem Mittelpunkt aus strahlt der Stern seinen Strahlen als "Basisgefühl" aus (bspw. Freude, Trauer, Ärger, Zuneigung, Abneigung, Angst, Niedergeschlagenheit) und auf den Strahlen sitzen weitere, kleinschrittigere Gefühlsausprägungen, wie z.B. bei Freude das Glück, oder bei Trauer die Enttäuschung.

Ich behaupte mal, wir alle haben größtenteils immer mal ein Problem mit unseren Gefühlen und Emotionen und jeder setzte sich anders mit ihnen auseinander. Ideal ist es glaube ich immer, wenn man sich direkt und passend mit ihnen auseinander setzen kann, in dem man bspw. einen Streit direkt klärt oder seine Freude durch Lachen ausdrückt. Dann sind die Gefühle wie kleine seichte Wellen die kurz auftauchen und wieder abflauen. Es ist normal, dass sich Gefühle immer mal anstauen und diese können durch Dinge wie Bewegung, Reden, Musik machen, stricken, schreiben und vielen weiteren Möglichkeiten abgebaut werden. Da hat jeder meist so seine Präferenzen. Manche lassen ihre Emotionen auch an anderen aus, in dem sie Leute ungerechtfertigt anschreien, anmeckern, schlagen oder irgendwie anders die Probleme an anderen auslassen.Da sollte einem der gesunde Menschenverstand eigentlich sagen, dass das nicht in Ordnung bzw. verboten ist.

Durch Dinge wie Alkohol, Rauchen oder Ablenkungen wie bsp. exzessives feiern gehen, können sie auch abgebaut werden, zumindest etwas. Denn hier ist die Gefahr groß, dass man sich nicht wirklich mit ihnen auseinander setzt, sondern sich nur ablenkt, sie betäubt, sich betäubt. Das ist auch meist nicht das große Problem und relativ normal, wenn das hier und da mal vorkommt. Wie bei allem im Leben kommt es hier auf die Dauer, Intensität und Häufigkeit an.

Dann gibt es aber auch noch die Drogensüchte (wo auch Alkohol und Rauchen zuzählen kann) oder Erkrankungen bei denen Gefühle "falsch" abgebaut werden. Bei einigen psychischen Erkrankungen geht es im Kern darum, seine Gefühle nicht spüren zu müssen, über andere Wege damit umzugehen.

Die Bulimie, der Zwang, das Selbstverletzen, all der Quatsch, alles unter anderem meine Art und Weise angestaute (hauptsächlich negative) Gefühle los zu werden. Dabei erkenne ich sie fast nie , weiß erst recht nicht damit umzugehen und merke es oft nur als Unruhe. Alles ständige, kleinere und größere Explosionen. Wenn ich in etwas gut bin, dann darin meine eigenen Gefühle zu verstecken, absichtlich oder aus-versehen. Vor anderen und vor allem vor mir selber. Damals in der Klinik habe ich das erste Mal wahrgenommen, dass man sich anscheinend nicht ein Gefühl einfach aussucht, wie man möchte und es passt, sondern dass die bestenfalls von einem selber kommen sollten. Ich meine ich bemerkte sie meisten, aber konnte sie nicht benennen, geschweige denn wusste ich wie ich damit umgehen soll. Das ist etwas, was die meisten von uns unbewusst wissen, es ist eine Art Instinkt in uns, wir lernen von den anderen Menschen, durch unsere Erziehung. Aber wenn dieser Instinkt nicht richtig wirken kann, weil er auf Unverständnis stößt, missachtet oder vermieden wird, dann kann man diesen auch wieder verlieren. Eins was ich zum Glück nie ganz verloren habe beziehungsweise schnell wiedergefunden habe, ist trotz allem auch Freude empfinden zu können. Ich kann meist ganz gut erkennen was mir gefällt, was mir Freude macht, Spaß macht und das je nach Lage auch etwas ausleben. Und das ist so viel wert!

Seit ich das mit den Gefühlen ein bisschen verstanden habe und auch daran glaube , fühle ich mich als ob ich nochmal eine Runde auf der Schulbank drehe. Ich komme mir vor wie eine blutige Anfängerin die ihre Muttersprache nochmal neu lernen muss. Ich habe nie keine Gefühle gehabt und gezeigt, ich konnte mich freuen, ärgern oder traurig sein, aber sie waren und sind noch sehr unverständlich für mich und ich habe sie auch meist nur sehr gedämpft mitgekriegt und viele davon sehr lange weggesperrt.Ich war nie ohne Gefühle, ich habe sie nur über die Jahre so weit von mir abgespalten, dass ich immer nur noch einen leichten Schatten davon mitkriegte. Sie sind quasi aufgetreten und ich habe sie direkt eingezäunt und in einen Gefängnis unter Wasser versteckt. Die Unruhe die dadurch entstand habe, ich über Dinge wie Sport oder Essen kompensiert. Ganz langsam habe ich angefangen die einzelnen Briefe zu öffnen, zu lesen, sie wieder zurück zu stecken, Informationen über sie zu sammeln, sie kennen zu lerne, einzelnen Bällen mehr Raum zu geben und ab und an einen frei zu lassen. Ich weiß noch als ich das erste Mal so richtig spüren konnte, dass ich wütend war und das auch benennen konnte, das war irgendwie schön. Es ist wie eine Verbindung die plötzlich entsteht, Dinge die auftauchen und die auf eine befriedigende Art und Weise ihren Sinn haben, auch wenn sie sich vielleicht nicht unbedingt schön anfühlen.

Es kommt mir immer ein bisschen albern irgendwie vor, weil ich mich wirklich wie jemand fühle, dem man die Basics vom Leben noch einmal beibringt, aber ich habe schon öfters erlebt, wie es sich anfühlen kann, wenn man Gefühle richtig auslebt und das war sehr befreiend und ich will mehr davon.

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