Triggerwarnung: Hier geht es um Erfahrungen und Informationen über die Thematik Selbstverletzung. Wenn es dir damit nicht gut geht,lese dir diesen Beitrag bitte nicht alleine durch.
"Was hast du da gemacht?"
"Ihh, wie eklig."
"Woher kommt das denn?"
"Was sind das für Narben?"
"Warum machst du das?"
Das Thema der Selbstverletzung ist weit verbreitet und doch verschwiegen. Und dabei geht es in 99% nicht um aufmerksamkeitsheischende Teenies. Ja, irgendwie ist es eine Form der Aufmerksamkeitssuche, aber das ist nicht alles. Selbstverletzung ist kein Krankheitsbild an sich, sondern ein Symptom, ein Anzeichen. Es ist auch nicht nur das "typische Ritzen mit der Rasierklinge", sondern es ist all umfassend. Platt formuliert ist jede Form der absichtlichen Verletzung des eigenen Körpers und Seins eine Selbstverletzung. Dabei gibt es aber feine Unterschiede. Beispielsweise ist das Finger Nägel kauen auch eine Art der Selbstverletzung, ebenso wie übermäßiger Sport, aber mann muss nicht "krank" sein ,weil man das macht, sondern es kann auch eine Art der "relativ normalen" Stressregulation sein. Wie bei vielen anderen Symptomen auch, muss man hier den Kontext und das Ausmaß betrachten.
Es gibt die unterschiedlichsten Arten der Selbstverletzung. Ich würde mal behaupten, dass eine der verbreitetsten und bekanntesten Methoden das Schneiden ist, häufig die Unterarme betreffend, aber auch am ganzen Körper. Dabei können die Wunden relativ oberflächlich sein, aber auch tief gehen. Andere kratzen sich, fügen sich Verbrennungen und Prellungen zu, schlagen sich selber oder ähnliches. Dabei kann prinzipiell wirklich alles genutzt werden, von Fingernägeln über Messern, bis zu Papierblättern, schlichtweg alles, auch der Boden auf dem man steht.
Aber warum machen Menschen das?
Es gibt verschiedenste Gründe sich selbst zu verletzten. Wie so viele Symptome bei psychischen Krankheiten ist es oft eine Form der Kontrolle. Wenn sich das drumherum oder das eigene Innenleben nicht mehr zu kontrollieren schein lassen, dann gibt das Verletzen des eigenen Körpers eine Form der Kontrolle zurück. Das kann nur man selber kontrollieren, das kann niemand anders.
Oft ist es auch eine Möglichkeit sich wieder spüren zu können. Häufig kommt es vor, dass Betroffene sich wie "benebelt" fühlen und alle so ein bisschen dumpf wird und man sich selber nicht so wirklich spürt. Das verunsichert einen und das Selbstverletzen hilft dabei, sich wieder mehr zu spüren und zu vergewissern, dass alles nicht nur eine Traum ist.
Es kann auch eine Form des Druckabbaus sein, wenn sich beispielsweise Gefühle und Gedanken anhäufen und sie drohen einen zu übermannen, hat man das Gefühl durch die Selbstverletzung diesen Druck abbauen zu können und wieder besser klar zu kommen.
Das sind nur ein paar der Formen und Gründe der Selbstverletzung, da gibt es noch weitaus mehr.
Ich fing, unbewusst, auch schon relativ früh an mich selbst zu verletzten. Ich habe schon seit ich denken kann ein Problem damit, dass ich mir immer die Haut an den Fingern abpule. Das aber nicht nur oberflächlich, sondern so richtig tief wie eine Kraterlandschaft. Seit ein paar Jahren habe ich das einigermaßen im Griff, so dass es nicht mehr alle Finger betrifft und oft phasenweise auch gar nicht mehr vorkommt. Ich fand es früher auch schon störend und unschön, aber damals hatte ich quasi keine andere Wahl, es gab keine andere Option in meinem Kopf. Es war auch immer eher eine unbewusste Handlung, die ich oft gar nicht wirklich bemerkte. Jetzt schaffe ich es immer mehr das zu bemerken und zu unterdrücken. Irgendwann habe ich dann angefangen mich bewusster selbst zu verletzten. Das erste Mal, dass ich mich erinnern kann war mit ca. 13 Jahren mit einem Stein, da war das noch aus anderen Hintergründen, aber ich merkte hier schon das befriedigende Gefühl. Ich fing dann mit bewussterem Selbstverletzen an, als ich mich in Therapie begab.Ich brauchte quasi einen Ersatz oder Zusatz für die Bulimie, ein anderes Ventil um Druck abzubauen, der durch die Therapie auch immer mehr stieg. Ich wurde das erste Mal mit "Gleichgesinnten" konfrontiert und schaute mir einige Dinge bei ihnen ab, leider.Es war nie ein, ich sage mal, Hauptproblem bei mir, aber es ist nach wie vor präsent und passiert leider auch noch manchmal. Der Unterschied ist aber, dass es mich inzwischen selber extrem stört und ich auch verstehe was ich da mache und was ich stattdessen machen könnte, nur die Umsetzung klappt manchmal noch nicht.
Bei mir ist es auf jeden Fall ein Druckabbau der angestauten Gefühle und auch eine Form der Kontrolle, aber auch eine Form der Ablenkung. Durch den Schmerz und die sichtbare Verletzung spüre ich mich wieder mehr und habe etwas "greifbares". Leider war und ist es mir auch in dem Moment relativ egal was das mit mir bzw. meinem Körper macht,das wird dann relativ zweitrangig. Bereuen tue ich es dann erst im Nachhinein. Ich bin aber sehr zuversichtlich und positiv gestimmt, dass ich das Thema bald endlich abschließen kann. Es ist schwierig so eine dysfunktionale Strategie, die man sich jahrelang antrainiert hat, wieder loszuwerden, aber mit ein bisschen Zeit wird das.
Es ist schwer für Leute sich mit ihren Wunden und/oder Narben zu zeigen. Auch "cleane" Leute haben mit den Narben ihrer Taten zu kämpfen, sind täglich damit und den damit verbundenen Erinnerungen auseinandergesetzt. Dazu wird es leider öfters auch noch als "pubertäres Gehabe" abgestempelt und nicht so richtig ernst genommen, was ich verstehen kann, für Außenstehende muss das ziemlich unverständlich sein, aber meistens hat oder hatte das ganze seinen Sinn, wenn auch einen schädlichen.
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